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Monday, September 14, 2020

Das Dorf mit Spaß an der Politik beleben - Mühlacker Tagblatt

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Von Frank Wewoda Erstellt: 15. September 2020, 00:00 Uhr

Wiernsheim-Serres. Stefan Mondon mag es hintersinnig und humorvoll, so viel steht fest. Zu Treffen mit der Presse streift er daher immer das grüne T-Shirt mit der Aufschrift „Pozilei“ über und setzt die Brille mit dem sehr breiten Rahmen auf die Nase, obwohl er sonst gar keine Brille trage, wie er verrät. Es sind Markenzeichen, die auch einem Komiker gut zu Gesicht stünden – „ich mag Satire“ –, doch seine Anliegen sind ernsthaft: Der Bauingenieur, der in Lomersheim bei einem großen Unternehmen angestellt ist, sorgt sich, dass sein Heimatort Serres und die Gemeinde Wiernsheim überaltern, das Leben und Lebendigkeit langsam weichen.

Maischerz 2020: Politik lässt sich mit Freude vermitteln, ist Mondon sicher.Maischerz 2020: Politik lässt sich mit Freude vermitteln, ist Mondon sicher.

Die alteingesessenen Vereine hätten genau das gleiche Problem wie die Kirchen: Der Nachwuchs fehle. In der Waldenserstraße ist Mondon groß geworden als Sohn eines Landwirts, der seinen Hof gleich hinter dem alten Serremer Rathaus hatte und auch heute als Ruheständler noch dort wohnt. Günter Mondon schaut kurz aus dem Fenster, grüßt. Er bestritt seinen Haupterwerb bis Mitte der 1980er Jahre auf den Feldern und im Stall in Serres, ehe er das Dasein des Landwirts gegen einen Angestelltenjob in der metallverarbeitenden Branche tauschte. Wie seinem Vater sei es den Landwirten reihum gegangen in der Waldenserstraße, alle hätten sie die Landwirtschaft als Haupterwerb aufgegeben wegen der um sich greifenden Industrialisierung.

In der lohne sich die Bewirtschaftung kleiner Felder und Viehbestände eben nicht mehr, der Preisverfall bei Milch, Mehl und Eier sei enorm, bedauert Stefan Mondon. „Ansonsten hätte ich mir vorstellen können, selbst die Landwirtschaft weiterzuführen“, bekennt der Bauingenieur. Mit einer satirisch gemeinten Initiative zur Ausweisung weiterer Baugebiete namens „Kohlplatte 4, 5 und 6“ hat er zuletzt für einiges an Furore gesorgt als Reaktion auf den Bürgerentscheid um ein Baugebiet. Tatsächlich wünsche er sich Erweiterungen eher in Iptingen und Pinache.

Ihn treibt es zum Beispiel auch um, wie alte Häuser saniert werden könnten. In anderen Orten sehe er, was auch in Wiernsheim und seinen Teilorten drohe: Die Alten sterben und ließen ihre Häuser zurück, die danach sogar oft leerstünden. Zudem fehle es auf dem Land an Treffen und Gelegenheiten zum Beisammensein. Der frühere Serremer Lebensmittelladen, heute von der Feuerwehr genutzt, liegt an diesem spätsommerlichen Montagmorgen wie der Dorfplatz vor dem Rathaus völlig verlassen da. Hier könne er sich eine Bewirtung vorstellen, einen Wochenmarkt empfindet er als interessante Idee. Als naturverbunden bezeichnet sich Stefan Mondon. Dass er sich vor kurzer Zeit Honigbienen angeschafft hat, die er im Garten des eigenen Elternhauses hält, bezeichnet er als Hobby.

In die Welt des Heranwachsenden Stefan Mondon fühlt sich schnell zurückversetzt, wer ihn hier auf dem Gartengrundstück seiner Eltern besucht. Mondon zeigt die Kisten mit den drei Bienenvölkern, zieht einen Wabeneinsatz heraus, die Bienen summen um ihn herum, Mondon wirkt ganz eins mit und bei sich. Er schildert, wie an derselben Stelle, wo er gerade stehe, einst die freilaufenden Hühner der Landwirtschaft seines Vaters gescharrt und gegackert hätten. Diese Welt sei doch eine ganz andere gewesen als die seiner Söhne Juls und Silas, 16 und 18 Jahre alt. In ihrem Alter habe er im örtlichen Liederkranz gesungen, dem er später in einer Theatergruppe noch bis vor wenigen Jahren die Treue gehalten habe. Doch sei das nun vorbei: Inzwischen habe er sich einem Chor in Niefern angeschlossen, der modernere Stücke singe.

Dass die Leute nicht mehr zusammenkämen, nicht mehr miteinander redeten, sondern lieber mit dem Handy oder bei einem Videospiel auf dem Sofa sitzenblieben, je jünger, desto mehr – dafür sieht er auch im Verharren der Vereine in der Tradition und im Althergebrachten einen Grund. Die Jüngeren fänden sich hier nicht wieder. Konsumorientierte Freizeitangebote betrachtet er kritisch: „Die elektronischen Medien, Fernsehen und Internet, nehmen uns die Gemeinschaft weg“, meint er. Dazu treibt ihn aber auch die Sorge um die Demokratie und den Politikverdruss um, „weil Politik zu ernst ist“, wie Mondon es ausdrückt. „Ernste Themen witzig verpackt“ rüberzubringen, nimmt er sich daher vor. Was ihn ins Grübeln bringt, seien Leute, die im Internet in eine eigene Welt der Verschwörung abrutschten. Zudem bemerkt er: „Es gibt immer mehr Gewählte, die sich von der Basis weit entfernen, statt zuzuhören, nur noch Einzel- und Eigeninteressen vertreten.“ Diese Tendenzen erkenne er auch im Wiernsheimer Gemeinderat. Die „Dorf-AG“ sieht er als Plattform, aus der sich Verschiedenes entwickeln könnte: Die Gründung einer Partei oder Gemeinderatsliste sei nicht ausgeschlossen, auch der Idee eines Bürgervereins oder etwas anderem steht er offen gegenüber: „Wir wollen dies anschubsen und hören, was zurückkommt.“

Die „Dorf AG“ trifft sich erstmals am Montag, 5. Oktober, um 19.30 Uhr im Nebenzimmer der Vereinsgaststätte des TSV Wiernsheim. Kommen sollten alle, die „das Dorfleben gestalten, das Gemeinwohl, Gemeinschaft, Kultur und Tradition fördern und dabei junge Leute ansprechen und einbinden wollen“, wirbt Stefan Mondon.




September 15, 2020 at 05:00AM
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