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Tuesday, September 1, 2020

Nütterden ist ein junges Dorf  – auch mit 1300 Jahren - RP ONLINE

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Dorfspaziergang : Ein junges Dorf – auch mit 1300 Jahren

In Nütterden ist man stolz auf die vielen Neubürger, das Vereinsleben und die Grundschule. Die Ortsmitte mit ihrer legendären Eisdiele aber brauche dringend eine Generalüberholung, findet Urgestein Paul-Heinz Böhmer.

Wenn Paul-Heinz Böhmer durch Nütterden schlendert, begegnet ihm kaum ein Spaziergänger, der nicht wenigstens für eine kurze Begrüßung hält. Böhmer kennt jeden, jeder kennt Böhmer. Wahlweise parliert der Ortsvorsteher mit seinen Dorfkameraden auf Platt, Eisdielenbetreiber Vincenzo Apicella bekommt gar im charmanten Italienisch „arrivederci“ zugeworfen. Zwar sei Nütterden mit seinen 3000 Einwohnern mittlerweile zu groß, um jedes Gesicht zu kennen, so Paul-Heinz Böhmer. „Aber die meisten im Dorf sind mir bekannt“, sagt der 66-Jährige.

Wohl niemand kennt Nütterden, im Jahr 721 nach Christus erstmals urkundlich in der Schreibweise „Nitri“ erwähnt, so gut wie Böhmer. In dem Kranenburger Dorf aufgewachsen, ist er seit 2016 Ortsvorsteher. Nur zwei Mal habe er anderswo gelebt, zum Wehrdienst und fürs Studium. „Ansonsten habe ich nie daran gedacht, Nütterden zu verlassen. Hier ist die Welt in Ordnung“, sagt Böhmer. Bis zu seiner Pensionierung führte er die St.-Georg-Grundschule in Nütterden als Schulleiter. Zudem ist er bis heute einer der prägendsten Gesichter der Kreis Klever Feuerwehr. Von 2004 bis 2016 war Paul-Heinz Böhmer Kreisbrandmeister, zuvor hatte er jahrelang die Freiwillige Feuerwehr in Kranenburg geleitet. Wenig verwunderlich also, dass der Großvater zu Beginn des Jahres für sein Engagement von Landrat Wolfgang Spreen mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde.

Die Eisdiele „Panna & Cioccolato“ lockt Eisliebhaber aus der ganzen Region an. Inhaber Vincenzo Apicella, der aus Süditalien stammt, ist seit 2003 im Dorfzentrum aktiv – und zu einer regelrechten Kultfigur avanciert. Foto: Klaus-Dieter Stade (kds)

Ausgangspunkt des Dorfspaziergangs ist der Sportplatz des SV Nütterden am Haferkamp. Auf den im Jahr 2012 eingeweihten Kunstrasenplatz blickt Paul-Heinz Böhmer mit Stolz. „Er hat dem gesamten Verein noch einmal sehr gutgetan“, sagt er. Der Fußballverein, dessen erste Mannschaft in der Kreisliga A kickt, und die dort ansässige Leichtathletik Nütterden seien gut aufgestellt – insbesondere im Kinder- und Jugendbereich. „In den vergangenen Jahren sind viele junge Familien nach Nütterden gezogen, gerade auch in die Neubaugebiete. Daher sind wir ein vergleichsweise junges Dorf“, sagt Paul-Heinz Böhmer, der von 1994 bis 2004 für die Christdemokraten im Kreistag saß.

Ortsvorsteher Paul-Heinz Böhmer vor der St.-Antonius-Kirche. Foto: Klaus-Dieter Stade (kds)

Weiter geht es zur katholischen Pfarrkirche Sankt Antonius. Das neugotische Gotteshaus, 1853 eingeweiht, liegt nur wenige Meter vom Sportplatz entfernt. Regelmäßig finde Böhmer sich sonntags hier ein. Die Corona-Pandemie aber hat auch den Alltag der Kirchengemeinde fest im Griff. Da es nur schwer ist, die Hygieneabstände in der Kirche zu wahren, finden viele Gottesdienste im Freien statt. Das gilt allerdings nicht für die Erstkommunion, die in den vergangenen Wochen ausgerichtet wurde. Auch diese hätte bewiesen, so Ortsvorsteher Böhmer, dass es Nütterden an Nachwuchs nicht fehle.

Doch die heile Welt in Nütterden hat auch Kratzer. Das wird deutlich, als Böhmer an der geschichtsträchtigen Gaststätte „Zu den Forellenteichen“ an der Bundesstraße 9 vorbeiläuft. Sie steht seit Monaten leer. Nachdem zunehmend die Gäste ausblieben, wurde das Gebäude im Oktober 2019 an einen niederländischen Investor verkauft. Der neue Eigentümer plane Wohnungen in dem unter Denkmalschutz stehenden Haus, hieß es. Seitdem ist allerdings nichts passiert. „Wir müssen abwarten, was dort entsteht. Im Dorf besteht die Befürchtung, dass dort künftig osteuropäische Leiharbeiter untergebracht werden“, sagt Paul-Heinz Böhmer. Heute steht die Tür zur Terrasse des ehemaligen Gasthofes offen. Erste Fensterscheiben sind dem Vandalismus zum Opfer gefallen, die spartanischen Tischpflanzen lechzen nach Wasser, die Tischdecken sind vergilbt. „Das ist wirklich kein schöner Anblick hier. Dabei ist dieser Ort für Nütterden immer ganz wichtig gewesen“, sagt Böhmer.

Deutlich würdevoller kommt da schon die Alte Schule daher. Im vergangenen Jahr erhielt das Haus einen frischen Anstrich. Es ist der Dreh- und Angelpunkt für das Nütterdener Ehrenamt. Der Musikzug der Allgemeinen Schützengesellschaft hat hier seine Heimat, Gleiches gilt etwa für den Jugendtreff. Auch die Vereinskonferenz, deren Vorsitzender Böhmer ist, tagt in den Räumen. „Hier findet Dorfleben statt“, sagt der Pensionär. Und dennoch: Bis heute fehle es dem Dorf an einer Räumlichkeit für größere Gesellschaften, ähnlich dem Bürgerhaus. „Dafür gab es in den vergangenen Jahrzehnten immer mal wieder Pläne. Die wurden aber entweder aus finanziellen Gründen verworfen oder weil sich kein Verein fand, der die Trägerschaft übernehmen wollte“, sagt Böhmer.

Das wichtigste Projekt müsse nun ohnehin die Verschönerung des Dorfplatzes sein. Die Politik hatte in Zusammenarbeit mit dem Heimat- und Verschönerungsverein eine Planung vorgelegt, die eine Begrünung und neue Pflasterung vorsieht. Aktuell wächst zwischen den Steinen Gras. „Ich habe nie so recht verstanden, weshalb man sich für dieses Pflaster entschieden hat. Aber bald sollte es besser werden“, sagt Böhmer. Immerhin locke die Eisdiele „Panna & Cioccolato“ Eisliebhaber der ganzen Region an. Inhaber Vincenzo Apicella, der aus Süditalien stammt, ist seit 2003 im Dorfzentrum aktiv – und zu einer regelrechten Kultfigur avanciert. Der Familienvater sagt: „Eismachen ist eine Kunst. Und ich bin gerne kreativ.“

Nicht ausgeschlossen ist, dass der Dorfplatz abermals in den Mittelpunkt des Geschehens rückt, wenn Nütterden im kommenden Jahr das 1300-jährige Bestehen feiert. Die Planungen fürs Fest seien bereits angelaufen, so Böhmer. Konkretes aber lasse Corona noch nicht zu. 26.000 Euro Fördergeld hat der Kreis Kleve für die Feierlichkeit zugesichert. Diese Mittel wolle man einsetzen, so Böhmer, um eine 4,5 Meter hohe Stele aus Granit im Dorf zu installieren. Die Stele soll mit 14 Armen für jedes Jahrhundert bestückt werden, das das Dorf erlebt hat.




September 02, 2020 at 10:45AM
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