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Tuesday, September 8, 2020

Ein Schwimmbad und sein Dorf - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

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Die Straße hinunter, an der Feuerwehr vorbei, liegt der Treffpunkt des Ortes linker Hand. Nur eine halbhohe Hecke umgibt das Maibacher Freibad. In diesem Jahr hat es noch keine Besucher gesehen. Das bräunliche Wasser im Becken lädt nicht gerade zum Hineinspringen ein. Zum Löschen würde es reichen. So, wie es einmal gedacht war.

Doch vor 60 Jahren überlegten einige schlaue Leute im Ort, dass aus dem Löschteich doch auch gut und gerne mehr werden könne. Ein Schwimmbad für alle etwa. Gesagt, getan. Das ist in diesem Falle keine Floskel. Die Maibacher sagen etwas, und dann tun sie es auch. Ortsvorstehern oder Vereinsvorsitzenden andernorts mag das die Tränen in die Augen treiben. Hier gehört das halbe Dorf dem Schwimmbad-Förderverein an. Mancher zahlt seinen Beitrag für Jahre im Voraus. Und in der Schwimmbad-Gaststätte von Wirtin Maria, dem einzigen Restaurant im Ort, treffen sie sich gemeinhin, um Pläne zu schmieden.

Als sie damals „zwangseingemeindet“ wurden, in den siebziger Jahren, im Zuge der Gebietsreform, erzählt die kleine Truppe, die sich bei Maria versammelt hat, habe ihr Bürgermeister, der sich danach nur noch Ortsvorsteher nennen durfte, einen kleinen Coup gelandet. Im vorletzten Monat, bevor das Dorf ein Stadtteil von Butzbach wurde, habe er sich die Gemeindekasse geschnappt, um sie gemeinsam mit seinen Maibachern „auf den Kopf zu hauen“. Ganz haben sie es nicht geschafft. Einige D-Mark standen danach noch im Haben. Aber ein schöner Abend sei es gewesen, und das Geld sei zumindest im Ort geblieben und nicht gleich Butzbach zugefallen.

Ein Förderverein zur Rettung des Bads

In Maibach, 500 Einwohner, gelegen am nördlichen Rand der Wetterau, beschreibt das Wort Gemeinschaft weit mehr als eine Wunschvorstellung. „In zwei oder drei Vereinen sind hier die meisten“, sagt Astrid Möser. Sie muss es wissen. Sie ist die Vorsitzende des Fördervereins besagten Schwimmbads. Ihre Schwester gehört dem Verein ebenso an wie ihr Vater. Als Malermeister habe dieser früher zum Saisonbeginn immer die Becken auf Vordermann gebracht.

Das Bad, einst von den Maibachern gebaut, wird inzwischen von den Butzbacher Bäderbetrieben verantwortet. Anfang des vergangenen Jahrzehnts stand es vor der Schließung. Es war den Butzbachern zu teuer. Das wollten die Maibacher nicht auf sich sitzen lassen. Also haben sie sich zusammengesetzt und 2004 einen Förderverein gegründet. Die Mitglieder kümmern sich um einiges. Sie machen das Bad fit für die Saison und motten es ein, wenn der Sommer vorbei ist. Dazu leisten sie 300 bis 400 Arbeitsstunden in der Saison als Bademeister. So fangen sie auch Urlaubszeiten der hauptamtlichen Bademeister auf. Mit den Öffnungszeiten nehmen sie es dabei nicht so genau. „Hier ist noch niemand rausgeschmissen worden“, erzählt Ortsbeiratsmitglied Hermann Holzfuß.

Im Förderverein engagiert sich fast das halbe Dorf für das Schwimmbad.

Im Förderverein engagiert sich fast das halbe Dorf für das Schwimmbad. : Bild: Lucas Bäuml

Ähnlich handhabt es Maria, die neue Pächterin des Lokals im Schwimmbad. Bei ihr gibt es italienische Küche. Für die Pizza nähmen die Gäste durchaus eine weitere Anreise in Kauf, erzählt sie. Und weil sich in diesem Lokal viele treffen, haben die Vereinsmitglieder vor einigen Monaten eine neue, größere Terrasse angelegt, inklusive eines neuen Geländers. In diesen Tagen stehen zwar keine Badegäste Schlange, gut besucht ist das Restaurant dennoch.

Eine Partie Skat im Becken

Am Rande der Terrasse weist eine Tür mit altdeutscher Schrift auf die einzige Umkleide im Bad hin. Stress habe es deshalb noch nie gegeben. „Es wissen doch alle, dass wir nur diese Umkleide haben. Die meisten kommen ohnehin schon in Badeklamotten“, sagt Holzfuß. Er war, zusammen mit seinem Bruder, einer der ersten Bademeister aus dem Ort. Wenn nach Feierabend eine besondere Abkühlung fällig war, haben sie sich einfach Tisch und Stühle ins Wasser gestellt, dorthin, wo das Becken nur 80 Zentimeter tief ist. So erfrischt, ließ sich entspannt eine Partie Skat spielen. Noch viel mehr Anekdoten könnten sie von ihrem Bad erzählen. Etwa, dass früher eine deutliche Lücke in der Hecke zum nächtlichen Baden eingeladen habe. „Da bin ich sogar meinen Eltern über den Weg gelaufen“, sagt Holzfuß lachend.




September 08, 2020 at 12:02PM
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